Europa braucht ein Programm zur Bildungszusammenarbeit mit Afrika

Afrika gilt trotz vieler anhaltender Probleme, Krisen und Konflikte als großer Zukunftsmarkt. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird mehr als jeder vierte Mensch auf dem afrikanischen Kontinent leben. Das allein rechtfertigt die Intensität, mit der sich Länder auf der ganzen Welt um politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten bemühen. Afrika ist nicht länger Bittsteller um Entwicklungshilfen, es ist umworbener Partner und rückt als solcher vor allem in den Fokus der Europäischen Union und China. Zwischen den beiden weltpolitischen Akteuren ist ein Wettstreit um Einfluss entbrannt, und die Chinesen sind auf einem guten Weg, ihn für sich zu entscheiden.

China wird immer attraktiver für Studenten

Die Interessenskonflikte der EU und China in Afrika erscheinen meist im Lichte der Tatsache, dass China Handelspartner Nummer Eins fast jeden afrikanischen Staats ist, der Debatte um die Ausbeutung von Rohstoffen oder der militärischen Präsenz Chinas. Ein Fakt erhält dabei nicht die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt:

Immer mehr Studenten wollen nicht nach Amerika oder Europa, sondern nach China. Gegenwärtig ist der mit weitem Abstand beliebteste Standort für afrikanische Auslandsstudenten in Europa Frankreich. Doch die Bewerbungen brechen regelrecht ein. Das liegt maßgeblich an der Einführung separater Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer.

Währenddessen ist China dabei, seine Vormachtstellung in der Bildungszusammenarbeit auszubauen. Für viele junge Afrikaner sind Peking und Shanghai attraktiver geworden als London oder München. Das liegt an der umfassenden Vergabe von Stipendien, an den stabileren Wechselkursen zum Yuan und an den geringen bürokratischen Hürden. Es ist auch Folge eines politischen Werbens, das Europa an vielen Stellen alt aussehen lässt. Viele afrikanische Staaten haben den Eindruck, dass China schnell und effektiv handle, anstatt kleinteilig zu diskutieren, das zeigt sich auch in der unbürokratischen Bildungszusammenarbeit.

Chinas Einfluss ist aber auch in vielerlei Hinsicht problematisch. Es ist bekannt, dass die Konfuzius-Institute, von denen es in Afrika immer mehr gibt, auch zur Verbreitung von Propaganda der Kommunistischen Partei genutzt werden. Anders als in Europa wird dem dort kaum Einhalt geboten, teils ganz im Gegenteil. Afrikanische Studenten in China erlangen nicht den Eindruck liberaler Demokratien, sondern eines totalitären Systems. Vor diesem Hintergrund und dem Ziel, Afrikas Demokratiebewegungen stärken zu wollen erscheint Chinas Engagement aus europäischer Sicht wenig wünschenswert.

Bildungsprogramme liegen in unserem langfristigen Interesse

Europa ist in vielen Belangen attraktiver als China. Es ist eine Frage des politischen Willens, afrikanische Studenten hierher zu holen und die Bildungszusammenarbeit zu stärken. Bereits jetzt gibt es sehr gute Universitäten in Afrika. Es ist zu erwarten, dass sich Anzahl und Qualität der Bildungseinrichtungen mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung weiter verbessert, sodass afrikanische Studenten zu einer relevanten Größe auf dem internationalen Bildungsmarkt werden. Sie wären nicht nur eine sofortige Bereicherung für Europa. Sie sind auch die hochqualifizierten Arbeitskräfte von morgen, zu deren Einwanderung es aufgrund des demographischen Wandels keine Alternative gibt.

Eine Art kontinentübergreifendes Erasmus

Afrika ist mit seinen 54 Ländern ein höchst heterogener Kulturraum. Dennoch versucht man, außenpolitisch als Einheit aufzutreten, Institutionen wie die Afrikanische Union, gedacht als Pendant zur EU, sollen auch Identität stiften. Insofern erscheint es nicht nur aus praktischen Gründen sinnvoll, europäisch-afrikanische Bildungszusammenarbeit im Rahmen eines gebündelten Programms zwischen den beiden Staatenbunden zu gestalten. Im Kern sollte es wesentlich mehr afrikanischen Studenten ein Studium in Europa ermöglichen, etwa durch mehr Stipendien oder einheitlich niedrige Studiengebühren für AU-Bürger. Gleichzeitig sollen Kapazitäten und Anreize für europäische Bürger geschaffen werden, in Afrika zu studieren. Doch nicht nur Studenten und Universitäten können von einem solchen Programm profitieren. Auch Austauschprogramme für Schüler sollen geschaffen, Praktika ermöglicht und der Sport gefördert werden. Das Programm könnte also, konzeptionell ähnlich zu Erasmus, ein kontinenteübergreifender Akt der Kooperation in der Bildung sein.

Bildungszusammenarbeit nützt beiden

Die Chance, Europas Universitäten mit den besten afrikanischen Studenten zu bereichern und nebenbei die Perspektiven für hochqualifizierte Einwanderung zu erhöhen, muss ergriffen werden. Gleichzeitig hätten europäische Studenten die Möglichkeit, ihren kulturellen Horizont mit einem Studium in Afrika zu erweitern und dort neues Wissen zu erwerben. Nicht zuletzt würde man auch die Zusammenarbeit in der Forschung massiv fördern. Politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist nur dann glaubwürdig, wenn ihr die Bildung folgt. Zugleich schafft sie Verständnis und Toleranz füreinander, was langfristig wiederum selbst in beidseitig gewinnbringenden Wirtschaftsbeziehungen kulminiert. Deswegen braucht es ein europäisch-afrikanisches Programm zur Bildungszusammenarbeit, von dem die Länder und Bürger beider Kontinente profitieren.